Abstract in inglese: Many philosophers have argued that works of fiction do not have cognitive value; poets are, as David Hume has formulated it, “liars by profession” who only pretend to formulate true descriptions. In fictional contexts, however, propositions are, according to this position, either false or do not have a truth-value at all. False propositions cannot communicate information, though; one can learn only from true propositions, or so the anti-cognitivist argument goes. In this contribution I will argue that this argument is based on a problematic conception of cognitive progress that reduces the latter to the accumulation of true propositions. I will show that literary texts can have a cognitive value sui generis: not by communicating information or by developing logically valid arguments that inescapably lead to a certain conclusion, but rather by describing fictional scenarios and persons rich in detail: in so doing they develop a perspective on the real world (rather than on some other fictional world) that allows the readers to draw their own conclusions. With their descriptions of fictional scenarios authors invite the readers to reflect and, in consequence, to come to new insights. In addition, the cognitive value of literature lies also in the fact that in this process the readers further develop their dialectic capacities. The argument does not intend to show, however, that the cognitive value is the only value that counts in literature. Zusammenfassung auf Deutsch: In der Geschichte der Philosophie wurden fiktionalen Werken häufig jedweder kognitive Wert abgesprochen; Dichter seien, wie Hume es pointiert formuliert hat, „professionelle Lügner“, die nur vorgeben, wahre Aussagen zu formulieren. In fiktionalen Texten enthaltene Propositionen sind, dieser Position zufolge, jedoch falsch oder haben keinen Wahrheitswert. Falschen Propositionen können aber keine Information vermitteln; lernen könne man vor von wahren Propositionen, so das Argument der Antikognitivisten. In diesem Beitrag argumentiere ich, dass dieses Argument auf einer fragwürdigen Konzeption des kognitiven Fortschrittes beruht, die diesen auf das Ansammeln von wahren Propositionen reduziert. Ich will zeigen, dass literarische Texte auf eine ihnen eigene Art Erkenntnisse vermitteln: nicht indem sie Informationen kommunizieren oder Argumentationslinien entwickeln, die zwingend zu einer bestimmten Konklusion führen, sondern indem sie fiktionale Szenarien und Personen detailliert beschreiben und so eine Perspektive entwickeln, die es den Leserinnen und Lesern überlässt, eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Autorinnen und Autoren zeichnen gewisse Linien vor, über die Leserinnen und Leser nach-denken, um so, in der eigenen Reflexion, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Der kognitive Wert der Fiktion liegt aber auch darin, dass sie in diesem Prozess ihre kognitiven Fähigkeiten weiter entwickeln und schärfen können – was aber nicht implizieren soll, dass der kognitive der einzige Wert ist, um derentwillen Literatur und andere fiktionale Werke einen zentralen Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen (sollten).

Dichter als Vordenker, Leser als Nachdenker Der kognitive Gehalt fiktionaler Werke / Huemer, Wolfgang Andreas. - (2012), pp. 785-794. (Intervento presentato al convegno GAP.7 Nachdenken und Vordenker - Herausforderungen an die Philosophie tenutosi a Essen nel 14. - 17. 9. 2009).

Dichter als Vordenker, Leser als Nachdenker Der kognitive Gehalt fiktionaler Werke

HUEMER, Wolfgang Andreas
2012-01-01

Abstract

Abstract in inglese: Many philosophers have argued that works of fiction do not have cognitive value; poets are, as David Hume has formulated it, “liars by profession” who only pretend to formulate true descriptions. In fictional contexts, however, propositions are, according to this position, either false or do not have a truth-value at all. False propositions cannot communicate information, though; one can learn only from true propositions, or so the anti-cognitivist argument goes. In this contribution I will argue that this argument is based on a problematic conception of cognitive progress that reduces the latter to the accumulation of true propositions. I will show that literary texts can have a cognitive value sui generis: not by communicating information or by developing logically valid arguments that inescapably lead to a certain conclusion, but rather by describing fictional scenarios and persons rich in detail: in so doing they develop a perspective on the real world (rather than on some other fictional world) that allows the readers to draw their own conclusions. With their descriptions of fictional scenarios authors invite the readers to reflect and, in consequence, to come to new insights. In addition, the cognitive value of literature lies also in the fact that in this process the readers further develop their dialectic capacities. The argument does not intend to show, however, that the cognitive value is the only value that counts in literature. Zusammenfassung auf Deutsch: In der Geschichte der Philosophie wurden fiktionalen Werken häufig jedweder kognitive Wert abgesprochen; Dichter seien, wie Hume es pointiert formuliert hat, „professionelle Lügner“, die nur vorgeben, wahre Aussagen zu formulieren. In fiktionalen Texten enthaltene Propositionen sind, dieser Position zufolge, jedoch falsch oder haben keinen Wahrheitswert. Falschen Propositionen können aber keine Information vermitteln; lernen könne man vor von wahren Propositionen, so das Argument der Antikognitivisten. In diesem Beitrag argumentiere ich, dass dieses Argument auf einer fragwürdigen Konzeption des kognitiven Fortschrittes beruht, die diesen auf das Ansammeln von wahren Propositionen reduziert. Ich will zeigen, dass literarische Texte auf eine ihnen eigene Art Erkenntnisse vermitteln: nicht indem sie Informationen kommunizieren oder Argumentationslinien entwickeln, die zwingend zu einer bestimmten Konklusion führen, sondern indem sie fiktionale Szenarien und Personen detailliert beschreiben und so eine Perspektive entwickeln, die es den Leserinnen und Lesern überlässt, eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Autorinnen und Autoren zeichnen gewisse Linien vor, über die Leserinnen und Leser nach-denken, um so, in der eigenen Reflexion, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Der kognitive Wert der Fiktion liegt aber auch darin, dass sie in diesem Prozess ihre kognitiven Fähigkeiten weiter entwickeln und schärfen können – was aber nicht implizieren soll, dass der kognitive der einzige Wert ist, um derentwillen Literatur und andere fiktionale Werke einen zentralen Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen (sollten).
2012
9783000364402
Dichter als Vordenker, Leser als Nachdenker Der kognitive Gehalt fiktionaler Werke / Huemer, Wolfgang Andreas. - (2012), pp. 785-794. (Intervento presentato al convegno GAP.7 Nachdenken und Vordenker - Herausforderungen an die Philosophie tenutosi a Essen nel 14. - 17. 9. 2009).
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